Biografie zu Verner Panton
Anfang und Ausbildung
Verner Panton erblickt am 13. Februar 1926 in Brahesborg-Gamtofte auf der Insel Fünen in Dänemark das Licht der Welt. Mit 18 Jahren geht der Däne nach Odense und dient dort zwei Jahre beim Militär. Parallel dazu besucht er von 1944 bis 1947 die Technischen Schule, ebenfalls in Odense. Im Anschluss daran studiert Verner Panton Architektur an der Königlichen Akademie der Schönen Künste in Kopenhagen (1947-1951) und beginnt sich mit Farbpsychologie zu beschäftigen. Während des Studiums kreuzt Tove Kemp seinen Weg. Die Stieftochter des Architekten und Designers Poul Henningsen und Panton heiraten 1950. Die Ehe scheitert jedoch nach nur einem Jahr. Ihr gemeinsamer Sohn verstirbt früh. Geblieben ist die Freundschaft zu Poul Henningsen, der bis zu seinem Tode 1967 Pantons Mentor bleibt.
Lehrjahre bei Jacobsen
Bereits Ende des Studiums heuert Verner Panton 1950 für zwei Jahre im Architektur- und Designbüro des renommierten Arne Jacobsen an, den er durch seinen Schwiegervater kennengelernt hat. Mit Möbeldesign betraut, entwirft er unter anderem die Ameise mit, einem der bekanntesten Stühle Jacobsens. Jahre später wird er über diese, nicht immer einfache Zeit sagen: “Je älter ich werde, desto mehr Respekt bekomme ich vor Arne Jacobsen, obwohl ich in vielen Dingen eine andere Auffassung habe. Wenn man all das bedenkt, was Arne Jacobsen in zahlreichen Bereichen vollbracht hat, gibt es niemand auf der Welt, der ihn schlagen kann. Selbstverständlich wurde sein Können von Talent, Energie, Ökonomie und Glück begleitet. Und vielleicht war alles ein wenig zu sauber. Aber ich habe niemals so viel von irgend jemand gelernt wie von Arne Jacobsen. Auch das Unsichersein und niemals Aufgeben.”
Büro im Bulli
In einem zum Zeichenbüro umgebauten VW-Bus zieht Verner Panton mit seinem ehemaligen Kommolitonen Hans Ove Barfoed drei Jahre durch Europa. Auf diese Weise ist er autark und kann die mannigfaltigen Eindrücke direkt zu Papier bringen. Es entstehen zahlreiche Entwürfe für die Gestaltung von Gebäuden und Inneneinrichtung. Zudem taucht Panton in das internationale Designgeschehen ein. Er begegnet Kollegen, Herstellern und Händlern.
Start mit Stühlen
Fritz Hansen, der renommierte dänische Möbelherstellter, baut die ersten, in Serie produzierten Möbel Verner Pantons. 1955 kommen Bachelor- und Tivoli-Chair auf den Markt. Ein zerlegbares Wochenendhäuschen, das auch als Garage genutzt werden kann, wird 1957 in Kleinserie produziert. Diesen Entwurf wird Verner Panton 1976 und 1979 noch zweimal überarbeiten. Als ersten großen Auftrag übernimmt der Designer den Ausbau und die Gestaltung des Ausflugslokals Kom-Igen auf Gut Langeso Park auf seiner Heimatinsel Fünen. Auftraggeber ist sein Vater, der das Lokal als Pächter betreibt und das Potential seines Sohnes erkannt hat und fördern will. Mit fünf aufeinander abgestimmten Rottönen gestaltet Verner Panton den Innenraum. Auch die Bekleidung des Servicepersonals wird im Gesamtkonzept berücksichtigt. 1958 ein Novum. Die Bestuhlung setzt sich aus Tivoli Chair, inzwischen umbenannt in Panton One, und Cone Chair zusammen. Letzterer wird dabei erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Als Serie K, K als Abkürzung für Kraemmerhusstole, erregt das Sitzmöbel großes Aufsehen und wird 1959, im Jahr darauf, von der dänischen Firma Plus-linje hergestellt. Im selben Jahr startet die Zusammenarbeit mit den dänischen Firmen Unika Væv, auch Unika Vaev, für Textilien und Louis Poulsen für Leuchten.
Stoffdesign aus Dänemark
Mit Beginn der 1950er Jahre gibt das dänische Textilunternehmen Unika Vaev einigen (Lands)Leuten aus der Kunst und Design Szene eine künstlerische Plattform zur Umsetzung von Textilentwürfen. Gunnar Aagaard Andersen, Nanna Ditzel, Finn Juhl – auch Verner Panton gesellt sich dazu. Textilunternehmer Percy von Halling-Koch (1914 bis 1992) unterhält einen regen Austausch mit seinen Designern. So entwickelt er beispielsweise zusammen mit Nanna Ditzel den Möbelstoff Hallingdal. Der Stoff besteht zu siebzig Prozent aus Schurwolle und 30 Prozent aus Viskose, was ihm eine hohe Strapazierfähigkeit und Farbtiefe verleiht. Seit 1965 wird Hallingdal vom Textilunternehmen Kvadrat hergestellt. Nach eigenen Angaben des dänischen Unternehmens beruhe auf diesem Möbelstoff ein Großteil des Unternehmenserfolges. Auch bei Verner Panton Design Objekten kommt der Stoff zum Einsatz. Im Buch “Danish Modern: Between Art and Design” von Mark Mussari heißt es: “Ditzel hat sich mit den dänischen Designerkollegen Panton und Aagaard Andersen zusammengetan und mit ihnen einen bis an die Grenzen gehenden Designansatz geteilt, der die Moderne in einen zeitgenössischen Kontext zurückversetzt, ohne bestimmte Ansätze in Bezug auf Material und Funktion aufzugeben.”
Kunst-Stoff und Mehrdimensionalität
1960 entstehen die ersten aufblasbaren Sitzmöbel der Möbelgeschichte. Mit ihnen hatte sich Verner Panton bereits 1954 während seiner Europareisen beschäftigt. Aus transparentem Kunststoff gefertigt, erlauben sie dem Betrachter ein Blick in ihr Inneres. Beides, der nahtlose Werkstoff Kunststoff, sowie das Spiel mit der Transparenz, wird charakteristisch für das Design Pantons.
Die Große Liebe
Im Urlaub auf Teneriffa, 1962, begegnet Verner Panton Marianne Pherson-Oertenheim. Sie verlieben sich und heirateten zwei Jahre später in Basel. Die gebürtige Schwedin hat bereits eine Tochter, Cecilia Oertenheim, aus erster Ehe. Zwei Jahre nach der Hochzeit wird die gemeinsame Tochter Carin geboren. Das Paar scheint sich gesucht und gefunden zu haben und bleibt bis zum Tode Pantons zusammen. Marianne und Verner reisen viel, behalten in Basel jedoch ihre Basis. 1972 kaufen sie das Ferienhaus Kullavej in Hornbaek, Dänemark, das sie 1993 wieder abgeben. Ein Jahr später beziehen die Pantons eine Stadtwohnung in Kopenhagen, als Zweitwohnsitz. Marianne ist nicht nur Verners Lebensgefährtin, sie betätigt sich auch als Botschafterin und Managerin ihres Mannes, was Verner nach eigener Aussage sehr entgegen kommt. Beide scheinen sich perfekt zu ergänzen. Nach dem Tode ihres Mannes, verlässt Marianne die gemeinsame Wohnung in Basel und gibt 1999 auch das Domizil in Kopenhagen auf. Marianne Panton: “Nach Verners Tod, hatte ich sehr schnell das Bedürfnis, unsere alte gemeinsame Wohnung zu verlassen. Sie war viel zu groß für mich. In dieser neuen Wohnung musste ich mich erstmal auf mich und meine Zukunft ohne Verner einstellen. Ich wusste ja gar nicht wie es weitergehen sollte.”
Das Schweizer Kapitel
Ihr Schweizer Kapitel beginnt, als die Pantons 1963 von Cannes nach Basel umsiedeln. Willi Fehlbaum, damaliger Chef von Vitra, hatte sich bereit erklärt, den Panton Chair zu produzieren. Der Umzug war nötig, um den Prototypen des Stuhles für die Serienproduktion fit zu machen. Man könnte meinen, dass Panton in Skandinavien am ehesten einen Hersteller hätte finden müssen. Zumal Skandinavisches Design in den 50er und 60er Jahren boomte. “Doch in Skandinavien ließen uns die Möbelhersteller immer wissen, dass die Produktion dieses Stuhles nicht möglich sei. Verner glaubte aber daran, ließ diese Idee nie fallen, und fand bei Vitra Gleichgesinnte”, so Gattin Marianne Panton. Es vergehen weitere Jahre, bis der Panton Chair Classic 1967 schließlich verkauft werden kann.
Deutsche Wertarbeit
Zwei Jahre davor, 1965, bringt die Gebrüder Thonet AG den S Chair heraus. Die deutsche Möbelschmiede hat sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts auf die Fertigung von Möbeln – insbesondere Stühlen – spezialisiert. Während der traditionelle Tischler eine Schwingung durch Sägen, Hobeln oder Schnitzen aus dem vollen Block gewinnt, erzielt Thonet dies durch Biegung, also durch Verformung, des starren Holzes. Aus Schichtholz hergestellt, hatte Verner Panton den Stapelstuhl bereits 1956 erdacht. Im selben Jahr, in dem der S Chair schließlich erscheint, beginnt er mit dem Entwurf einer Wohnlandschaft. Die Systemmöbel, mit quadratischem Grundriss, werden von der Alfred Kill GmbH und der Metzeler-Schaum GmbH gefertigt und 1967 über den Kaufhof an die Kunden gebracht. Die Modulmöbel, mit einem Perlon-Bezug in den Farben Braun, Orange, Rot, Gelb, Blau und Türkis, bieten nahezu unbegrenzte Möglichkeiten der Kombination. – Eine Revolution auf dem Einrichtungsmarkt.
Visionäre Welten
Wenig später (1968/1969) setzt Verner Panton mit dem Living Tower einen erneuten Meilenstein im Möbeldesign. Das skulpturale Sitzmöbel, das sich aus zwei Elementen zusammensetzt, verfügt über insgesamt vier Sitzeben. Ebenfalls Ende der 60er gestaltet der Designer die Ausstellung auf dem Drahlon-Schiff (1968) für das Chemieunternehmen Bayer anlässlich der Kölner Möbelmesse. Bis Mitte der 70er Jahre mietet Bayer einen Rheindampfer und lässt ihn von zeitgenössischen Designern einrichten. Dabei geht es im Grunde genommen um Werbung für Wohntextilien aus Kunststoffen wie Drahlon. Auf Anregen Verner Pantons wird das Drahlon-Schiff in Visiona 0 umbenannt. Die Visiona 2, im Jahre 1970, wird ebenfalls zum Sowroom Pantons. Sowie das neu erbaute Spiegel-Redaktionshaus in Hamburg (1969). Bis heute ist die Kantine weitgehend im Originalzustand erhalten. Das macht diesen Ort zu einem einzigartigen Dokument der Designgeschichte. Ebenso wie das Zirkusgebäude von Kopenhagen, 1885 erbaut, an dessen Sanierung er als Licht- und Raumberater 1984 beteiligt ist.
Farben und Formen im Flow
Beispiele: das Restaurant Varna in Arhus/Dänemark (1971) und seine private Villa in Binningen/Schweiz, das er 1972 bezieht. Die das Wohnzimmer dominierende Living Sculpture ist heute im Centre Pompidou in Paris/Frankreich zu besichtigen. Nicht zu vergessen die Ausgestaltung des neuen Gruner & Jahr Verlagshaus in Hamburg (1973). Ein Auftrag, der ähnlich umfangreich war wie die Innengestaltung des Spiegel-Gebäudes vier Jahre zuvor. Pantons Vorliebe für kräftige Farben und geometrische Formen spiegeln sich in seinen umfangreichen Arbeiten als Textildesigner wider. So entstehen Mitte der 70er Jahre eine Reihe von Textilien mit ausdrucksvollem Aufdruck. Die Kollektionen Grande, Grafica, Casa oder Fiori und Castello (alle 1975) sind einige Beispiele dafür. Sie werden von der Firma Mira-X AG in der Schweiz, mit der Panton seit 1971 zusammenarbeitet, gefertigt. Ebenfalls in den 70ern beginnt die Kooperation mit dem dänischen Hersteller Fritz Hansen für Möbel wie das System 1-2-3 (1977).
Der Space-Age-Stil
Wir schreiben immer noch das Jahr 1977. Der dänische Hersteller Louis Poulsen bringt die von Panton entwickelte Leuchtenfamilie VP Europa heraus. Ihr Fuß erinnert an die bereits 1971 designte Panthella. Der Lampenschirm dagegen wird aus Glas mundgeblasen. Trotz ihrer gefälligen Form hat sie etwas Extraterestisches. Wesentlich spaciger mutet die im selben Jahr entwickelte Pantopendel an. Sie basiert wiederum auf der VP Globe, die bereits Ende der 60er/Anfang der 70er in den Design-Orbit eintrat. Auch die Hängeleuchten Ellipsen Lamp von 1971 und vor allem die Ufo von 1975 haben – wie die Namen bereits vermuten lassen – einen starken Gestaltungsbezug zum Weltraum. Ebenfalls gewagt, weil vorher noch nie da gewesen: Mit den Wand- und Deckenleuchten Ring Lamp (1970) und Spion (1971) kleidete der Däne gleich ganze Räume aus. “Der Hauptzweck meiner Arbeit ist es, Menschen dazu herauszufordern, ihre Fantasie einzusetzen”, so der technikbegeisterte Verner Panton. Das dürfte keinem angesichts so charismatischer Leuchtobjekte schwer fallen.
Ruhm und Ehre
So viel Kreativität und Schaffensdrang bleibt keineswegs unbeachtet. 1979 erhält er in seiner Heimat Dänemark den Møbelprisen. Im selben Jahr ehrt ihn die Schweizer Möbelmesse mit der Sonderausstellung Pantorama. Sie beeindruckt durch monochrom inszenierte Räume mit Objektcharakter. In der Mitte des mit Stoff ausgekleideten Blauen Raumes beispielsweise platziert Panton mehrere Living Tower, natürlich in der selben Farbe. Darüber schweben VP Globe-Leuchten. Zwischen 1981 und 1986 wird dem Designer allein fünfmal der Preis Deutsche Auswahl verliehen. Sein virtuoses Spiel mit Farben, Formen und Funktionen wird einmal mehr bei der Sanierung des Kopenhagener Zirkusgebäudes 1984 offenbar. Hier berät Verner Panton in Licht- und Farbfragen. In Offenbach gibt er seinen Idealismus an der Hochschule für Gestaltung als Gastprofessor weiter.
Entwicklung der Ergonomie
Die 90er Jahre könnte man durchaus als die Epoche der Stuhlentwicklung bezeichnen, an der Verner Panton maßgeblich beteiligt ist. 1993/94 entwirft er für das schwedische Möbelhaus Ikea Vilbert, konstruiert aus vier miteinander verschraubten Platten. Gemeinsam mit den Vereinigten Spezialmöbelfabriken, kurz VS-Möbel genannt, arbeitet Panton zwischen 1993 und 1998 an der Verbesserung der Ergonomie bei Stühlen. Die gewonnenen Erfahrungen bündelte die Bezeichnung Pantoflex. Auf der Basis des dynamischen Sitzens entstehen die Stühle PantoSwing, PantoMove, PantoFour und PantoStack für unterschiedliche Einsatzbereiche.
Lebenswerk und letzte Ausstellung
Auf dem Höhepunkt seines Schaffens, verleiht die dänische Königin Margrete dem Designer das Ritterkreuz vom Dannebrog-Orden für sein Lebenswerk. Ebenfalls 1998 plant Panton die Ausstellung Licht und Farbe. Die Retrospektive soll am 17. September im Trapholt Museum im dänischen Kolding eröffnet werden. Kurz davor, am 5. September, wird Verner Panton aus dem Leben gerissen. Er stirbt im Alter von 72 Jahren in Kopenhagen.
Pantons Pointe
“Die Leute werden sauer auf einen, wenn man Farben mag. Das werden sie auch auf Menschen mit Fantasie. Die meisten möchten das, was sie gewohnt sind. Aber ich muss übertreiben, um meine Pointe herüber zu bringen'”, äußerte sich Verner Panton einmal. Das mag oft dazu geführt haben, dass Pantons Design als nicht zeitlos eingestuft wurde. Seine jungen, zeitlosen Entwürfe und das große Interesse daran beweisen jedoch das Gegenteil.