Das zweifelhafte Geschäft mit kopierten Design-Klassikern
„Willkommen auf unserer süchtig machenden Webseite!“, heißt es in dem Online-Shop der Interior Addict (deutsch: Inneneinrichtungssüchtiger) Limited mit Sitz in London. „Designer Möbel zu unschlagbaren Preisen!“, auch im Web-Shop der Allstars Furniture GmbH aus Südtirol wirbt man progressiv für Reproduktionen bekannter Design-Klassiker. „(…) dass möglichst viele Menschen sich diesen Luxus leisten können“, damit gehen die Macher der GoodFurn Limited in die Copy-Offensive. Da der Import von Raubkopien nach deutschem Recht strafbar ist, verpflichtet sich der Kunde bei einigen Anbietern zum so genannten ‚Eigenimport-Modell´. Welche Probleme der Kauf von kopierten Design Klassiker mit sich bringt und warum jeder darauf verzichten sollte – hier gibt es die Hintergründe.
Arne Jacobsen, Charles Le Corbusier, Ray & Charles Eames, Poul Henningsen
Arne Jacobsen, Joe Colombo, Ettore Sottsass, Poul Henningsen – wer kennt sie nicht die Ikonen des Einrichtungsdesigns. Einzigartig sind ihre Entwürfe, die bis heute von ausgesuchten Firmen in Lizenz hergestellt werden. Nur wenige können sich beispielsweise einen originalen Lounge Chair von Vitra für weit mehr als 5.000 Euro leisten. Aber eine Copy für gerade einmal 1.020 Euro, gesehen im Web-Shop des britischen Anbieters Italia Designs Limited – und bei anderen Anbietern sogar noch darunter – liegt da schon eher im Budget.
Aktion: Fälschung gegen Original tauschen
„Produktpiraterie im Leuchten- und Einrichtungshandel ist ein Problem, es gibt zahlreiche illegale Kopien“, weiß Tecnolumen-Geschäftsführer Carsten Hotzan. Daher führte der Hersteller Tecnolumen im Jahr 2012 die Aktion „No Fake´ durch. Dabei wurden eingesendete Plagiate der Wagenfeldleuchte gegen das lizensierte Original eingetauscht. Über 100 Käufer meldeten sich, 64 schickten ihre Replik ein, 59 Leuchten wurden ausgetauscht. Hotzans Bilanz: „Die meisten Besitzer einer Fälschung gaben an, diese aus Unwissenheit erworben zu haben. Es gab aber auch einige Teilnehmer, die ganz offen und ehrlich zugegeben haben, dass sie ganz bewusst eine Fälschung gekauft haben.“ Warum? „Aus Preisgründen.“
Beispiele: Flowerpot und Fun Muschelleuchten
Wieso unnötig viel Geld ausgeben, wenn man das Gewünschte wesentlich günstiger haben kann? So verkauft die Designfurn Limited über Infurn.com die Kopie der Flowerpot VP1 Pendelleuchte von Verner Panton für gerade einmal 87,20 Euro. Das Original von &tradition dagegen, kostet beim autorisierten Fachhändler wie dem Online-Shop für Designklassiker von TAGWERC mit 189 Euro immerhin mehr als das Doppelte. Noch eklatanter wird der Unterschied bei der Muschelleuchte Mother of Pearl Fun 1DM, die ebenfalls von Verner Panton stammt: das Plagiat ist für 329 Euro zu haben, das Original von Verpan steht mit 827 Euro auf der Verkaufsliste.
Abstriche bei Aussehen und Qualität
„Wer am Preis spart, sollte Abstriche bei Aussehen und Qualität einkalkulieren“, zeigt die Design-Agentur Tagwerc, nicht nur spezialisiert auf Leuchten-, Möbel- und Teppichklassiker, sondern gleichzeitig engagiert in der Aufklärungsarbeit, einen weiteren Aspekt auf. „Teilweise werden Raubkopien mit den Originalbilder der lizenzierten Hersteller angeboten“, hat Stephan Tovar von TAGWERC beobachtet. Sie sollen wohl suggerieren, dass Original und Kopie in Qualität und Aussehen identisch seien. Zudem durchlaufen Design Replica nicht die Sicherheitsprüfungen, denen Originale vor dem Verkauf unterzogen werden. „Besonders gefährlich kann das bei dem Betrieb von kopierten Leuchten werden.“
Copy & Paste kein Kavaliersdelikt
Die „Copy and Paste“-Mentalität ist zwar weit verbreitet, aber keineswegs ein Kavaliersdelikt. „Was beim Kopieren oder Verfremden einzelner Textpassagen (Stichwort ‚Text Spinning’) oder einem Foto im Kleinen anfängt, hört mit Produktpiraterie noch lange nicht auf“, ist sich Tovar sicher. Und: Verletzungen des Urheberrechtes können sogar mitunter strafrechtlich verfolgt werden.
Zwei Jahren auf Bewährung
So hat der Handel mit Repliken also eine strafrechtliche Komponente. Während auch Gegenstände in Deutschland schon immer als Vervielfältigungsstücke urheberrechtlich geschützter Werke der angewandten Kunst gelten, sind sie in Italien – entgegen einer immer wieder zu hörenden Meinung – inzwischen ebenfalls wieder geschützt. In Groß Britannien erlischt der Schutz bereits nach 25 Jahren. Trotzdem: „Strafbar handelt, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt und damit rechnen muss, rechtswidrig zu handeln“, erklärt Prof. Dr. Christian Donle, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz bei Preu Bohlig & Partner, Berlin. „Das getarnte ‚Eigenimport-Modell´ als Vertriebsform für Produktpiraterie ist damit gescheitert und bildet kein Einfallstor für die Aushöhlung des geistigen Eigentums“, kommentiert der Rechtsanwalt das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 11.10.2012. Als Geschäftsführer einer italienischen Spedition war ein Deutscher, der ‚Möbelklassiker‘ aus Italien in die Bundesrepublik Deutschland einführte, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden.
Schaden in Milliardenhöhe
Während der Endverbraucher spart, schädigt er einen wichtigen Wirtschaftszweig, die Möbelindustrie. Die OECD, Organisation for Economic Cooperation and Development, schätzt den Schaden, der durch den Handel mit gefälschten Produkten weltweit entsteht, auf einen Betrag von rund 250 Milliarden Dollar, etwa 193,5 Milliarden Euro.“ Zudem werden Arbeitsplätze und Unternehmen gefährdet. Dies bestätigt man auch bei Tecnolumen. „Es gibt in Deutschland immer weniger Handwerksbetriebe, die für unsere Leuchten noch produzieren können“, so Hotzan. „Gerade erst hat wieder eine Glasbläserei geschlossen, mit der wir seit 30 Jahren zusammengearbeitet haben.“
Kopie bezahlt, aber nie bekommen
Hinzu kommt, dass nicht nur Plagiate angeboten, sondern dabei mitunter Kunden geprellt werden. 2012 wurde der Online-Shop der Merlin Furniture Limited, merlinfurniture.com, geschlossen. Unzählige Kunden hatten Repliken bezahlt, aber nie bekommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt(e). Demselben Geschäftsmodell scheint man über Infurn.com nachzugehen. Beim Zentrum für Europäischen Verbaucherschutz in Kehl verzeichnete man allein in diesem Jahr 111 diesbezügliche Anzeigen gegen die Betreiber von Infurn.com, so André Schulze-Wethmar vom Europäischen Verbraucherzentrum. Die Erfahrungsberichte bei Trustpilot.de, einem Bewertungsportal, sprechen dieselbe Sprache. Beim Querschnitt aus 874 Bewertungen erreicht Infurn.com 3,7 von 10 Punkten, was mit „schlecht“ angegeben wird. Ein User aus Las Vegas, USA, warnt bereits in der Titelzeile seiner Bewertung: „Do not buy from this company“, also: „Kaufen Sie auf keinen Fall bei diesem Anbieter“.
Wichtige Informationen in unauffällig formulierten Sätzen
Doch selbst wer das bestellte Design-Stück tatsächlich geliefert bekommt, ist noch lange nicht auf der sicheren Seite. Im ‚Kleingedruckten´`, beispielsweise bei der Interior Addict Limited, heißt es: „Designer und Vertriebspartner sollten beachten, dass die Artikel nicht als Originale verkauft werden dürfen.“ Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, aber das ist eine ganz wichtige Information! Die meisten Kunden vergessen nämlich – oder wissen es gar nicht erst, dass sie sich strafbar machen, wenn sie das erworbene Plagiat später wieder verkaufen, womöglich noch unter seinem originalen Namen. Allein die Form genießt mitunter urheberrechtlichen Schutz.
Prof. Dr. Donle: „Ein Problem ist für die Konsumenten ferner, dass sie die Fakes nie wieder verkaufen dürfen.“ Die Originale bleiben wertstabil und können nach vielen Jahren selbst mit Gebrauchsspuren gut wieder verkauft werden. Bisweilen steigert sich sogar ihr Wert. „Der Besitzer eines Fakes dagegen, kann diesen nicht ohne Begehen einer Urheberrechtsverletzung verkaufen“, so der Experte, und ergänzt: „Wenn er dann erwischt wird, gibt es ein Strafverfahren gegen ihn.“
Nur ein Original ist wertstabil
Sehr gute Argumente also, die selbst den letzten Zweifler überzeugen dürften und raubkopierte Design-Repliken ins Abseits katapultieren.
Und es gibt noch einen Grund, auf das Original, die „Marke“ zu sparen, statt eine Kopie zu kaufen. Was für andere Bereiche des Lebens gilt, ist auch übertragbar auf Designklassiker. Wie sich der Kinderwagen eines Markenherstellers ausgezeichnet verkaufen lässt, wenn er nicht mehr gebraucht wird, so sind auch gebrauchte und gut erhalten Designklassiker heiß begehrt. „Besonders für hochpreisige und von Hand hergestellte Designklassiker wie den Little Petra Lounge Chair von Viggo Boesen, den Ultrafragola Spiegel von Ettore Sottsass, den Joe Baseball Sessel von Studio DDL oder die Artichoke Pendelleuchte von Poul Henningsen gibt es einen großen Kundenkreis“, weiß man beim Designklassiker-Spezialisten TAGWERC. Interessenten suchen bei Suchmaschinen wie Bing, Google und Co. gezielt nach gebrauchten Designoriginalen und werden neben Designauktionen bei international agierenden Auktionshäusern wie Sotheby’s, Quittenbaum, Dorotheum oder Wright mitunter auch bei Portalen wie Ebay oder Ebay-Kleinanzeigen fündig.